Regelmäßige Veröffentlichungen in der “Bühnentechnischen Rundschau”  und in “Licht”

Bühnentechnische Rundschau 1/2016

Blaue Geister –

Wie gefährlich ist Blaulicht?

Zum aktuellen Stand der Diskussion

Außer der Blendung und der UV – Bestrahlung gibt es eine weitere Gefährdung der Augen durch Licht – eine durch Blaulicht. Das ist für viele neu. Auf der letzten Prolight+Sound sorgte die Neuauflage einer Publikation der VBG zur Sicherheit bei Veranstaltungen für Aufregung, die erstmals blaues Licht als potentielle Gefahr darstellt. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg ist an weiteren Erforschungen zur Gefährdung durch Blaulicht beteiligt. Der aktuelle Stand der Diskussion wird auf der diesjährigen Prolight+Sound vorgestellt.

von Herbert Cybulska

Wir Menschen brauchen das Licht. Wir brauchen das Sonnenlicht, um die lebenswichtigen D-Vitamine ausbilden zu können, sonst werden unsere Knochen weich, die Muskeln schlapp und die Abwehrkräfte schwinden. Zudem hebt richtig dosiertes Sonnenlicht die Laune. Bekommen wir zu viel, trifft uns der Hitzschlag,  unter Umständen sogar Hautkrebs. Die Sonne ist lebensnotwendig und  Lebenslust steigernd –  und gleichzeitig lebensbedrohlich. Auf die Dosis kommt es an.

Durch Licht wird die Produktion von Melatonin, dem „Schlafhormon“ in unserem Körper gehemmt,  bei Dunkelheit wird diese Hemmung aufgehoben. Dafür sind Rezeptoren in unseren Augen aktiv, die nicht am Sehprozess beteiligt sind. Seit 2001 kennen wir die Mechanismen dieser Steuerung.   Vieles ist im Detail erforscht, erste Konsequenzen sind bereits gezogen.  Die melanopische Wirkung des Lichts, die Steuerung unserer inneren Uhr, ist Teil des Lichtwissens in Wissenschaft und Technik und wird unter anderem in den Normen für das Licht am Arbeitsplatz berücksichtigt.

Beim künstlichem Licht kennen wir die Gefährlichkeit von Wärmestrahlung, der UV-Anteile und inzwischen die Schädlichkeit sichtbarer hochenergetischer Strahlung zwischen 380nm – 400nm,  was z.B. für Museumsbeleuchtung relevant ist. Mit einer frei strahlenden Entladungslampe der Sorte HMI, HTI oder ihren Geschwistern können wir uns im Nu stark verbrennen – so hoch und aggressiv ist deren UV-Anteil. Das sollte allen bewusst sein, die professionell in der Beleuchtungstechnik arbeiten. Neu ist die Gefährdung durch Blaulicht, die im Englischen „Blue Hazard“ genannt wird..

Auf der Prolight+Sound  2015 gab es am letzten Tag viel Aufregung, nach dem Professor Reidenbach in einem Vortrag die Gefährdung durch Blaulicht genauer beschrieben hat. Er führte eine photochemische Gefahr für die Netzhaut und neuro-endrokine Effekte für das Zirkadianische Sytem auf – also Schlafstörungen und eventuelle immunologische Effekte durch das Verstellen der inneren Uhr. Die VBG hatte mit  dem Sonderdruck 2.1./2015-05  zur „Sicherheit bei Veranstaltungen und  Produktionen – Scheinwerfer“ druckfrisch eine Schrift auf ihrem Stand zur Hand, in der die Mögliche Schädigung der Netzhaut als Gefahr beschrieben wird – seit der neuesten Auflage.  Davon hatten viele noch nichts gehört, und auch jetzt wissen viele Veranstaltungstechniker, Verleiher und Händler kaum etwas über das Thema. Worum geht es?

Wann ist Blaulicht gefährlich?

Im Licht werden als Gefährdung neben der Blendung, der Erwärmung und der UV Strahlung inzwischen auch das Blaulicht im Bereich von 400nm – 500nm angesehen. Diese sichtbare Blaustrahlung „durchdringt die Hornhaut und kann die Netzhaut schädigen“.  Die Gefahr entsteht hauptsächlich beim längeren Blick in die Lichtquelle. Daher empfiehlt die VBG in ihrer Schrift „das Einleuchten über den Schatten oder das Tragen einer  Schutzbrille“.  Weiter heißt es: „Bei der Gefährdung können Risikogruppen nach DIN EN 62471 oder Herstellerangaben herangezogen werden.“ *)

In der DIN EN 62471 für fotobiologische Gefährdungen durch die Lichtquelle  werden drei Risikogruppen (RG) definiert. In der  Risikogruppe RG 0 ist die Emission so gering, das von keiner Gefährdung ausgegangen wird, in der Risikogruppe RG1 gibt es eine Gefährdung „nur nach sehr langen Bestrahlungsdauern, die im Normalfall nicht vorkommen“  und in der RG 2 dann, wenn durch „natürliche Abwehrreaktion (zum Beispiel Wegschauen oder Lidschluss oder bei hellem Licht oder bei thermischem Unbehagen) überwunden werden kann.“ In der RG3 als höchste Risikogruppe gefährdet die Lichtquelle bereits bei „flüchtiger und kurzfristiger Bestrahlung“ das menschliche Auge. Ferner heißt  es: „Der Hersteller muss Auskunft über die fotobiologische Sicherheit seiner Scheinwerfer geben können und dies im Rahmen seiner CE-Konformitätsbewertung klassifizieren. Für die Risikogruppen 0 und 1 muss der Hersteller die Leuchten nicht kennzeichnen, die Leuchten der Risikogruppen 2 und 3 müssen jedoch gekennzeichnet werden.“

Das Thema der Blaugefährdung ist in der Praxis nicht nur für Techniker, Händler und Gestalter neu. Auch für die Hersteller ist es so frisch, dass die geforderten Auskünfte noch nicht verfügbar sind. Einige wissen nur ungefähr dass sie bald Angaben machen müssen, andere bereiten bereits Datenblätter vor

Aber wie groß ist die Gefährdung, in der Bühnen- und Studiopraxis,  bei welchen Lichtquellen ist in welchem Abstand wird es gefährlich? Die Broschüre der VBG informiert darüber in einem Anhang etwas detaillierter. Seit Juli 2010 ist die „Verordnung zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung“ in Kraft, wo „konkrete Expositionsgrenzwerte, die eingehalten werden müssen“ beschrieben sind. Für Laser und UV-Licht ist das vielen klar, für Blaulicht ist das neu.

Entscheidend: Die Einwirkungsdauer

Zu den Symptomen der Blaulichtgefährdung, die medizinisch Photoretinitis genannt wird, heißt es:

„Blinde Flecke oder Skotom treten zeitverzögert auf, meist 12 bis 48 Stunden nach der Bestrahlung. Die Netzhautschädigung und die damit einhergehende Verminderung der Sehkraft können dauerhaft sein. Die Einwirkungsdauer auf einer Stelle der Netzhaut ist bei kleinen Lichtquellen im Allgemeinen sehr kurz, da die Stelle sich mit jeder Kopf- bzw. Augenbewegung verändert. Je größer die Lichtquelle ist, desto weniger spielen die Blickbewegungen eine Rolle und umso kritischer wird die Einwirkungsdauer auf eine bestimmte Netzhautstelle. Die höchste Gefährdung besteht bei einem direkten Blick in die Lichtquelle. Kommt die Strahlung von oben oder von der Seite, ist die Gefährdung geringer.  Die Größe der Gefährdung ist dabei auch abhängig von der Größe der Lichtquelle, da diese auf der Netzhaut abgebildet wird. Man unterscheidet zwischen kleinen und großen Lichtquellen.“ Als Faustformel für eine „kleine Lichtquelle“ gilt „10 cm Durchmesser bei 10 m Sehabstand entspricht 0,011 rad“. Für „große Lichtquellen“ gilt auch die Strahlendichte als Maß, wobei eine „einfache Abschätzung … dann nicht mehr möglich“ ist.  Es wird auf einen „fotochemische(n) Grenzwert“ hingewiesen,  auf die relevanten Einwirkungszeiten und die maximalen Strahldichten um schließlich dem Praktiker folgende Faustregel an die Hand zu geben:

„Betrachtet man kleine Lichtquellen bei Farbtemperaturen bis 3.750 K, so tritt höchstwahrscheinlich keine Blaulichtgefährdung auf, wenn die Beleuchtungsstärke unter 1000 lx liegt. Dies entspricht noch einer Risikogruppe RG 1.

Betrachtet man kleine Lichtquellen bei Farbtemperaturen von 5.750 K bis 8.000 K, so tritt höchstwahrscheinlich keine Blaulichtgefährdung auf, wenn die Beleuchtungsstärke unter 500 lx liegt. Dies entspricht (ebenfalls) noch einer Risikogruppe RG 1.“  Diese Richtwerte gelten für weiße Lichtquellen. Monochromatische und blaue Lichtquellen, insbesondere LED, sind in diesen Einschätzungen nicht erfasst.

Frontale Halogenbeleuchtung über 1000lx und HMI-Licht über 500lx sind bei sehr langer Bestrahlungsdauer direkt in die Augen von Menschen also möglicherweise schädlich. Ein dreistündiger Monolog eines Schauspielers bei direktem Blick ins Licht oder ein fünfstündiger starrer Blick in Publikum und Frontlicht – das ist allerdings kein Bühnenalltag.

In einem weiteren Anhang, von der HAW in Hamburg formuliert, gibt es ein Schema nachdem die Gefahr durch Blue Hazard für kleine Lichtquellen abgeschätzt werden kann. Laut der Tabelle ist ein Spot mit 8510lx in 5 m Entfernung bei einem Lichtkegel von 2 m nach 54 Minuten Bestrahlung als kritisch anzusehen, bei einem Abstand von 10m bei einem Kegel von 4m und einer Beleuchtungsstärke von 2128lx nach 3,6 Stunden. Diese Werte werden beim normalen Bühnenbetrieb vermutlich nicht erreicht, aber es noch vorläufige Werte. Neue Messungen mit einem Varilite 1500 W Wash in einem Abstand von 14,9 m Entfernung ist die Tagesdosis nach 7 Sekunden bereits erreicht (Messungen der AUVA, Österreich).  Das Risiko wird durch die Vergrößerung des Öffnungswinkels und der Linse verkleinert, durch Kopf und Augenbewegungen ebenso. Gefährdend sind direkte Blicke in die Lichtquelle – aber wer macht das schon? Starkes HMI – Licht im Fernsehstudio, tagelanger Aufenthalt auf dem Stand einer Premiummarke bei der IAA – solche Bedingungen sind sicher genauer zu betrachten.

Gefahren – in der Diskussion

Über starke blaue LED Lichtquellen macht dieses Beispiel keine Aussage. Herstellerangaben gibt es so gut wie nicht. Noch nicht. Die Diskussion steht am Anfang. Seit Herbst arbeiten die HAW in Hamburg und die VBG zusammen, um tiefer in die Thematik einsteigen zu können. Die Fragen nach Messmethoden, nach praktischen Tabellen und weiteren praktikablen  Empfehlungen sind gestellt. An den Antworten wird gearbeitet.  Von HAW und VBG, insbesondere von Prof. Roland Greule und seinen Mitarbeitern wird es in absehbarer Zeit Unterlagen geben.

Es gibt keinen Grund für große Aufregung aber man muss aufpassen du sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen, wie noch am Rand der letzten Prolight + Sound. Es wird kaum zu bürokratischen Zumutungen kommen, was die Anmeldung von Veranstaltungen angeht – zumindest sind keine in Sicht. Aufmerksam sollte der Lichtfachmann in jedem Fall sein, denn von der Evolution her gesehen sind wir noch für die Savanne, die Sonne und das Feuer gemacht. Die Erfahrung mit künstlichen Lichtquellen jenseits der offenen Flamme ist noch sehr kurz, gemessen an den Jahrtausenden an Lagerfeuer und Öllampe. Mit langen Aufenthalten vor Displays und Monitoren haben wir erst kurze Erfahrung. Die Langzeitwirkungen sind noch nicht abschätzbar. Für diese Lichtquellen ist das menschliche Auge aber primär nicht gemacht – und (noch) nicht evolutionär optimiert.  Wir sollten mit dem Thema sorgfältig sein und die Forschung gut im Auge behalten.

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*) Die Zitate entstammen der VBG -Schrift 2.1./2015-05 : Sicherheit bei Veranstaltungen und  Produktionen – Scheinwerfer

Weitere Informationen:

Download der Broschüre der VBG:

http://www.vbg.de/SharedDocs/Medien-Center/DE/Broschuere/Branchen/Buehnen_und_Studios/Sicherheit_bei_Veranstaltungen_und_Produktionen_Scheinwerfer.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Schrift der LiTG zu Gesundheit und Licht:

http://www.litg.de/media/193.32_InfoPubl_Ehrensteinschrift.pdf

Schrift des Portals „Licht“ zu melanoptischen Lichtwirkungen:

http://www.licht.de/de/trends-wissen/licht-specials/biologisch-wirksames-licht/

Veranstaltung Prof. Greule auf der Prolight+Sound:

07.04.2016: 15.30-16.30, Photobiologische Gefährdung in der VA-Technik. Referenten: Prof. Dr.-Ing. Roland Greule, Beleuchtungs- und Elektromeister Sven Kubin

 


Bühnentechnische Rundschau 4/2015

Zwei Fäuste von Bob Wilson

Der Altmeister der Raum-Licht Regie inszeniert Faust 1 und 2 am BE

Wenige Tage vor der Premiere, mitten in der Endprobenphase, kam Bob Wilson zu einem Vortrag auf die Prolight + Sound, um in Goethes Heimatstadt Frankfurt über Licht und Raum zu sprechen.

Das visuelle Konzept seiner frühen Arbeit „Einstein on the Beach“ –  im Jahr 2012 nach rund 20 Jahren in der Brooklyn Academy of Music wiederaufgeführt und anschließend weltweit auf Tour –  erläuterte er mit ruhiger Stimme en détail vor einer Bildwand mit vielen Skizzen. Es ging nicht um Scheinwerfer oder Lichttechnologien. Es ging um den Raum-  und Lichtbilder, die Wilson so entwickelt, wie Architekten das halt machen: mit Bleistift und Papier.

Vor einem Publikum, das mehrheitlich aus Licht-Praktikern besteht, die vor allem technisch ausgebildet sind wirkt das exotisch – wird doch kaum noch ein Lichtkonzept ohne 3D Rendering kommuniziert. Während heute während der Konzeptphase Bühnen und Räume fotorealistisch nachgebaut werden –  mit Lichtern, Schatten, Formen und Farben in allen Verläufen und Nuancen – zückt Wilson einen Bleistift und skizziert. Mit dickem Strich. Ganz abstrakt. Der Raum wird grob gefasst, Darsteller und Lichtverläufe markiert, einzelne Wirkungen per Wort hinein kommentiert. Wilson präsentierte das Konzept zur Einstein-Oper in zig Zeichnungen und Skizzenfolgen. Er kreierte seine Welten mit Papier und Bleistift. „Visual thinking“ wird das auch genannt.

Die Ideen zu „Einstein on the Beach“ waren von vielen in Frankfurt nicht leicht nachzuvollziehen – das sah man den Gesichtern an.  Viele bemühten sich voller Respekt, zumal der Meister sehr klar, deutlich und untypisch unvernuschelt sprach. Aber es waren Worte und Zeichnungen wie aus einer anderen Welt – es gab keine klare Message, keine lineare Geschichte – es ging um Raum und Zeit und Zahlen  …  immer wieder vermischt mit  menschlichen Karikaturen,  die sich durchs Zeit – und Weltgeschehen bewegen. Die opulente Aufführung in schwarz-weißen Skizzen erzählt, ergänzt von Fotos abstrakter Raumelemente ist trockene Kost.

Schlägt man das Programmheft zu Faust I und II auf, findet man neben Probenfotos und dem Text viele Konzeptzeichnungen; mal flüchtig, mal en détail. Aber diesmal geht  es nicht und Einstein und Relativität, der Faust steht auf dem Programm, der ganze. Der erste hat eine konkrete Geschichte, die sich gut komprimiert nacherzählen lässt – und noch mehr geflügelte Worte, die jeder kennt. Gute Vorlagen für Wilsons karikativen Humor.

Doch im BE in Berlin kommt man nicht zum Programmheftlesen, man ist gleich mitten drin. Es hat kein Philip Glass komponiert –  für ein Orchester das erst mal Platz nimmt,  sich noch einmal stimmt und dann den Dirigenten  erwartet – sondern Herbert  Grönemeyer und Alex Silva.  Die können Rock´n Roll. Das kleine Orchester ist aktiv, sobald die Türen offen sind.  Besetzt sind Computer, Schlagwerk,  Geräusch, Klang, Synthie, zwei Violinen, Bratsche, Cello und elektronisches Klavier mit acht Musikern. Bühne und Vorhang  sind offen, der Hintergrund ist halb in den Schnürboden gezogen. Der Blick fällt auf glimmende Scheinwerfer, die ein munteres Darstellervölkchen beleuchtet. Zahlen schwirren akustisch durch den Raum. Viel Betrieb bevor es richtig losgeht; einer, über dem bei allem Leben eine Ordnung ruht. Es ist eine visuelle Ouvertüre, die Kostüme, Figuren und Themen  zeigt. Die Brecht-Bühne zeigt ganz episch seine Mittel – zwar keine Gardine nirgends – nur offener Bühnenraum, visuelle Werkstatt.  Wenn sich die Bühne technisch sortiert, auf Anfang fährt, kann das Spiel beginnen.

Im ersten Teil wird ein Faust gegeben, der die Geschichte mit all seinen Zuspitzungen und Karikaturen gerafft erzählt-  in ironischer Wilson Manie – so wie man ihn kennt. Perfekte, klare lebendige Theaterbilder. Jeder Spot sitzt, Farben und Helligkeiten sind perfekt aufeinander abgestimmt, Typisch Wilson – und doch mehr. Der Hintergrund ist lebendig, selten ist die Opera plan ausgeleuchtet, die Verläufe sind in Bewegung, in Überblendung befinde sich in stetem Übergang. Das ist klarer musikalischer als bei vielen anderen Inszenierungen des Meisters. Er hat sich sehr auf den Stoff eingelassen, das zeigen die Nuancen der Lichtregie, die den Text, die Handlung  stetig untermalen. In den ersten Szenen des ersten Aktes tauchen neben angedeuteten Säulen senkrechte LED Leisten auf schlicht warm weiss mit glben punktförmigem Lichtaustritt, wohl dosiert, hohe Leuchtdichten meidend. Im  Ostersparziergang wirken sie im Zusammenspiel mit den glühenden Fäden konventioneller Lampen einfach schön. Wird die Handlung komplizierter, tauchen sie als waagerechte Linien auf. Sie müssen nicht bunt sein, sie müssen nicht heller oder greller werden, sie drehen sich in der Achse und bilden ein verqueres Bild. Ein bildlicher Subtext, der unter der Handlung liegt. Das Leuchtstoffband an der Bühnenkante, die Fassung des Raumes mit Lampen und Leisten  - die Inszenierung ist voller Hilfslinien, die das Bild komplett machen, die es fassen, die einen Sog erzeugen.  Über die Ordnung der Bühne und der Lichter bildet sich ein leichter, unbewusst wirkender Kommentar,  der den Zuschauer in die Geschichte begleitet.

Hebt die Handlung ab, mit Homunkulus und Hexen und Metaphysik, tauchen die beschriebenen LED-Punkt-Linien als Rundformen auf. Abstrakte Formen, die Text und Handlung weiter wie eine Kalligraphie des Lichts begleiten. Der starke Text, das klare Spiel tut gut. Kein Wilson Kunstgewerbe, was es auch schon gab.

Ist der erste Teil noch amüsant, witzig, hintergründig ohne in modernen Kitsch abzugleiten, wird der zweite Teil, der so schwierig zu lesen und noch mühsamer zu inszenieren ist,  durch die Bilder- und Lichtbilderwelten wie um eine Dimension erweitert.  Es entsteht Platz für Assoziationen, für Zwischenräume im Kopf. Man geht mit auf den Trip. Selten wurde Faust II so kurzweilig,  aber nicht minder ernsthaften inszeniert. Der radikal gekürzte Text entlastet den Zuschauer, Licht und Raum werden mit Video ergänzt, der Abend wird poetischer, offener, ergreifender. Dem überdimensionalen, laufenden Panther – schwarzweißes raumgreifendes Video –  kann man sich nicht entziehen, wenn es um das raubtierhafte und gierige im Menschen geht. Dem goldenen Raum nicht, wenn es um Reichtum du Überfluss und Omnipotenz geht.  Der Hütte und dem Waldidyll zum Schluss auch nicht  - zumal  sich das in ein ergreifendes Schattenspiel wandelt. Todesnähe und Abgründe werden gekonnt aus den visuellen Elementen generiert, mit denen der Abend bis dahin gestaltet wurde. Das Spielerische wird unheimlich, beklemmend, existenziell, bevor es zum großen Finale geht.

Von den Wilson – Inszenierungen der letzten Jahre ist dies eine ganz besondere, ohne Klamauk, Kitsch und manieristische Strapazen. In Frankfurt sagte Bob Wilson zu seinem  Faust in Berlin,  er sei die bisher größte Herausforderung in seinem Theaterleben gewesen.

Er hat sich eingelassen. Tief eingelassen. Davon profitieren die Zuschauer. Ein Stückchen Faust 1 und Faust 2 nimmt jeder mit nach Hause,  der es sehen kann. Und hören.

Das  Produktionsteam  hat sich mit dem BE zu einer Höchstleistung aufgeschwungen. Inhaltlich wie technisch. Der großen Dichtung wird der Abend voll gerecht.

Herbert Cybulska